Konsumkritischer Stadtrundgang


Lebensmittel unter der Lupe –

konsumkritischer Stadtrundgang zeigt Kauf-Alternativen auf

(03.12.2014) 



















 

Szene 1:
Ein glückliches Huhn namens Klaus-Peter streckt und räkelt sich auf seinem 1 m² großen Stallboden während gleich daneben 9 andere Hühner auf derselben Fläche darum kämpfen, nicht umgeworfen zu werden. An sich bücken, um auf dem Boden zu picken, ist nicht zu denken – es gibt ja nicht mal Platz, um sich mal kurz am Ohr zu kratzen.


Szene 2:
Passanten drehen sich um oder bleiben stehen. Was ist denn da los? Eine lebhafte Diskussion ist zwischen Imke, der Anführerin einer großen deutschen Umweltschutzorganisation, Dorit, der Vertreterin einer Verbraucherschutzinitiative für besorgte KonsumentInnen und Timo, dem Sprachrohr einer Gruppe von konventionellen LandwirtInnen entbrannt. Gesprächsfetzen wie „Ich will aber keine Antibiotika im Fleisch mitessen“, „Ihr verseucht unsere Böden und eure Kühe ruinieren unser Klima“ und „Ein Steak für 6€, das kauft mir doch niemand ab“, sind zu hören.

Szene 3:
Komplett in Schutzkleidung, also mit Ganzkörperanzug, Schutzbrille und Mundschutz sieht Kaffeebäuerin Eva ziemlich angsteinflößend aus. Man muss sofort an Epidemien wie Ebola denken, dabei muss Eva „nur“ Insektenschutzmittel und Unkrautvernichter auf der Kaffeeplantage, auf welcher sie arbeitet, versprühen. Doch als sie versucht, die Gebrauchsanweisung zu entziffern, wirkt sie schnell ziemlich ratlos. Wie die meisten ihrer KollegInnen ist sie nämlich Analphabetin und kann die Hinweise auf Portugiesisch nicht lesen, zumal diese so klein geschrieben sind, dass man sie fast nur mit einer Lupe entziffern kann. Immerhin hat sie vom Plantagenbesitzer Schutzkleidung bekommen und wird dieses Mal ihre Augen und ihre Haut nicht mit den Giften verätzen. Viele ihrer KollegInnen haben dieses Glück nicht und leiden oft bereits nach kurzer Zeit unter den Folgen der Pestizide, welche sie versprühen müssen.

All diese Szenen spielten am Samstag, den 15.11.2014 in Berlin zwischen dem Hackeschen Markt und dem Alexanderplatz. Im Rahmen einer konsum- und globalisierungskritischen  Stadtführung hatten sich 19 HumboldthainerInnen und ein Gemeindemitglied aus Prenzlauer Berg den beiden ehrenamtlichen Stadtführerinnen der Jugendorganisation des Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, Landesgruppe Berlin, angeschlossen.
Es ging darum, den Auswirkungen des persönlichen Kauf- und Konsumverhaltens auf den Grund zu gehen, was allen, vor allem durch die oben beschriebenen interaktiven Teile, sehr eindrücklich nahegebracht wurde. Zudem wurden Alternativen aufgezeigt.

Im Vorfeld des Stadtrundgangs hatte der Bezirksälteste von Berlin-Nordwest die Veranstaltung mit den Worten „dies ist eine gute Möglichkeit, sich im kirchlichen Rahmen mit aktuellen Themen auseinanderzusetzen“ im Bezirk angekündigt. Für die OrganisatorInnen aus der Gemeinde Berlin-Humboldthain (Mitte) drückt sich im achtsamen Umgang mit den Mitmenschen und der Natur Nächstenliebe und aktives Christsein aus.

Das Thema Lebensmittel, welches bei der Stadtführung im Mittelpunkt stand, wurde beispielhaft an den Produkten Eier, Kaffee und Fleisch beleuchtet, jeweils vor einem Supermarkt, einem Café und einer Currywurst-Bude.

Beim Thema Eier ging es um den Unterschied zwischen konventioneller und biologischer Erzeugung von Nahrungsmitteln. Während bei der konventionellen Landwirtschaft die Standards der Tierhaltung recht gering sind, so dass z.B. Hühner kaum Platz im Stall haben, regelmäßig alle Tiere ohne krank zu sein mit Antibiotika behandelt werden, Wachstumshormone bei den Tieren und Pestizide in der Landwirtschaft eingesetzt werden, haben Bio-Bauern strenge Vorschriften zum Tierwohl und zur umweltverträglicheren Landwirtschaft einzuhalten. Das sechseckige deutsche Biosiegel bescheinigt diese Standards. Produkte, die noch tier- und umweltfreundlicher hergestellt werden, werden mit dem demeter-, Naturland- oder Neuland-Siegel gekennzeichnet.

Kaffee kann nur aufwendig per Hand und nicht mit Maschinen geerntet werden, daher leben etwa 25 Millionen Menschen vom Kaffeeanbau und -verkauf, vor allem in den Anbaugebieten in Äquatornähe. Bei den Kaffeebauern, welche die härteste Arbeit auf den Plantagen haben, wie beschrieben oft Analphabeten sind und teils höchst giftige Pestizide ohne Schutzkleidung versprühen müssen, kommt dabei nur ein winziger Teil, nämlich 1,5% des Kaffee-Erlöses an. Etwas mehr verdienen die Plantagenbesitzer und Großhändler mit je 11-17%. Der Einzelhandel z.B. bei uns in Deutschland schöpft vom Kaffee-Erlös ¼ ab, das meiste bleibt durch Zölle und Steuern bei den Staaten. Eine Alternative, um Kaffeebauern ein höheres und sichereres Einkommen zu ermöglichen, ist der Kauf von Produkten aus Fairem Handel (Fair Trade). Das internationale Fair Trade-Siegel bescheinigt gute Arbeitsbedingungen, faire Löhne sowie Unterstützung beim Bau von Schulen und Krankenhäusern in den Kaffeeanbaugebieten. Produkte der Handelsgruppe GEPA, welche alle fair gehandelt sind, gibt es mittlerweile in vielen deutschen Supermärkten.

Zuletzt stand das Thema Fleisch im Mittelpunkt. Die von der deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlene wöchentliche Menge an Fleisch und Wurst liegt bei 300-600g. Die Deutschen verzehren jedoch pro Woche durchschnittlich fast 1,2 kg! Diese Lebensweise führt nicht nur zu gesundheitlichen Problemen, sondern hat auch Auswirkungen auf Tiere, Menschen und die Umwelt. Neben den oft sehr schlechten Haltungsbedingungen der Tiere in der Massentierhaltung mit tausenden von Tieren und dem Einsatz von Antibiotika, werden auch tonnenweise Futtermittel vor allem aus Lateinamerika importiert, was dort zu Regenwaldabholzung, Vertreibung der Landbevölkerung und massivem Pestizideinsatz führt. Zudem verschmutzt die viele Gülle das Grundwasser, auf der anderen Seite wird enorm viel Wasser für die Tiere und den Anbau der Futtermittel verwendet. Außerdem setzen Kühe Methan frei, was zum Klimawandel beiträgt. Zwar stehen auch in diesem Bereich Bio-Siegel für bessere Bedingungen, doch die beste Alternative lautet hier auf jeden Fall: Weniger. 


Mit all diesen Eindrücken, Gedanken und Impulsen waren die Teilnehmenden nach dem 2-stündigen Spaziergang sehr nachdenklich geworden. Gut, dass in der Kirche Humboldthain noch selbstgebackener Kuchen, Kekse sowie Tee und Kaffee aus fairem Handel warteten, um sich darüber austauschen zu können.


Tipps:
Ein Bericht über den konsumkritischen Stadtrundgang lesen Sie auch hier auf „Unsere Familie Online“.

Die Stadtführung in Berlin wird von der Initiative „weltbewusst“ koordiniert, auch in über 50 anderen deutschen Städten gibt es ähnliche Führungen. Mehr Informationen hier.

Auch auf der Seite der BUND Jugend Berlin gibt es Informationen zur Stadtführung: hier.



Text und Fotos: CZ
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