Glaube und Zweifel
Zweifel - ein permanenter Begleiter unseres Glaubens Zweifel - ein Zeichen dafür, dass jemand sich Gedanken über eine Sache macht Zweifel - ein Zeichen dafür, dass etwas interessant und bedenkenswert ist Zweifel - die Grundlage einer offenen innerkirchlichen Gesprächs- und Diskussionskultur |
(Mai 2013) Glaube an Gott muss immer wieder neu gewagt werden und kann niemals frei von Zweifeln sein. Diese Erfahrung machen wir insbesondere dann, wenn unsere persönliche Lebenserfahrung nicht mit dem übereinstimmt, was wir als Menschen von Gott wünschen und erwarten. Gerade in Situationen, in denen wir beispielsweise zwischenmenschliche Enttäuschungen, soziale Ausgrenzung oder Krankheit erleben, wird die Diskrepanz zwischen dem, was wir erwarten und dem, was Gott zulässt, schmerzlich erfahrbar. Dann entstehen Gedanken des Zweifels, die uns auch einmal bis an den Rand der Verzweiflung bringen können.
Obwohl der Zweifel ein permanenter Begleiter unseres Glaubens ist und eine existenzielle Grunderfahrung unseres Christseins darstellt, wird er innerkirchlich immer wieder als Bedrohung, als Übel wahrgenommen, das es zu bekämpfen gilt. Dabei überliefert die Bibel alles andere als ein uniformes, von Zweifeln freies Denken und Handeln. Sie berichtet von Menschen, die nachfragten, zweifelten und sich durch Unsicherheiten hindurch ihren Glauben erkämpfen mussten. Zweifel sind in erster Linie ein Zeichen dafür, dass jemand sich Gedanken über eine Sache macht, die ihm besonders wichtig und darum bedenkenswert erscheint. Dies zeigen zwei prominente biblische Beispiele: Abraham und Thomas.
Thomas, der Jünger Jesu, konnte es nicht glauben, dass Jesus auferstanden sein soll (Joh 20,24-31). Den anderen Jüngern war Jesus zuvor begegnet. Thomas war jedoch nicht dabei und zweifelt als ihm die anderen berichten, dass ihnen der Auferstandene begegnet sei: „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich’s nicht glauben“ (Joh 20,25). Thomas wollte glauben, dass Jesus auferstanden sei, aber er konnte es einfach nicht. Acht Tage später waren die Jünger wieder zusammen. Auch Thomas ist dabei. Obwohl er an der Auferstehung Jesu zweifelt, will er bei denen bleiben, die an den Auferstandenen glauben. Als Jesus erneut in ihre Mitte tritt, geht er unmittelbar auf Thomas zu und fordert ihn auf, ihm die Hände zu reichen, verbunden mit der Aufforderung: „Sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ (Joh 20,27). Und Tomas antwortet: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28). Thomas, der deswegen bis heute "der ungläubige Thomas" genannt wird, ist keiner, der blind glaubte, aber letztlich auch durch sein kritisches Fragen ein verlässlicher und treuer Apostel Jesu wurde.
Der Zweifel ist ein Zeichen dafür, dass etwas interessant und bedenkenswert ist. Er regt an, tradierte Perspektiven und Haltungen zu hinterfragen, sich damit zu beschäftigen, wie Kirche im Hier und Heute überzeugend gelebt werden kann und die persönliche Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten zu suchen. Damit bildet der Zweifel die Grundlage einer offenen innerkirchlichen Gesprächs- und Diskussionskultur, die weiterführende Erkenntnisse im Glauben ermöglicht und die Kirche als Ganzes nach vorne bringt und lebendig bleiben lässt.
Zum Weiterlesen: Peter L. Berger / Anton Zijderveld (2010): Lob des Zweifels. Was ein überzeugender Glaube braucht. Kreuz Verlag, Freiburg/Breisgau.
Von Timo Ziegler